Historia interculturalis

 

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Thema:

Ostasien und wir (2)

 

 

Last update:

25.2.2006

 

 

 

 

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Takashi Naraha

Clermont-Ferrand

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Alte und neue Chinoiserien

1. Yin und Yang im Klassenzimmer?

China-Moden der 80er Jahre – mit einem kurzen Rückblick auf Brecht

von Thomas Lange

Redaktionell überarbeiteter Artikel aus Diskussion Deutsch von 1985. Mit einer aktuellen Einleitung als Brückenschlag über zwanzig Jahre modische Chinoiserien.

 

 

 

 

>>Asienbild

Essay

2. Das westliche Asienbild im Zeitalter der Globali­sierung

Aktualisierte Beobachtungen und Notizen von 1997

von Wolfgang Geiger

In der „Gelben Gefahr“ verbinden sich alte mit neuen Stereotypen der Angst. Aktualisierung einer Presseanalyse von 1997

 

L’image de l’Asie en Occi­dent à l’époque de la mondiali­sation

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

>>Tagung Weltmacht 21.Jh.

>>Beitrag Michael Lackner

 

 

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Alte und neue Chinoiserien

Ein Aspekt der europäisch-chinesischen Beziehungen sind die wechselseitigen meist mode­haften Kulturimporte, von denen uns hier die europäische Variante interessiert, die im 18./19. Jahrhundert zur französischen Wortschöpfung „Chinoiseries“, parallel zu den „Turqueries“, Anlass gaben – Begriffe, die auch in den deutschen Wortschatz einge­gangen sind. Diese oberflächliche Form des Exotismus (gegenüber durchaus ernst­hafteren Ansätzen in Kunst und Literatur) scheint zeitlos und politikübergreifend zu sein, findet man doch dieselbe Ver­knüpfung zwischen Begeisterung für das Äußere und Unkenntnis in der Sache einerseits bei der Suche nach dem alten, „ewigen“ China wie andererseits ganz konträr beim zeit­weiligen Enthusiasmus für Maos Kulturrevolution, deren eines Ziel die Zerstörung alles „Alten“ war.

2001 hat Michael Lackner im Rahmen einer Tagung der Bundeszentrale für politi­sche Bildung über China als aufsteigende Weltmacht des 21. Jahrhunderts.eine Kritik des Kultura­lismus in und über China geäußert: „Alles ist "Kultur": Essstäbchen, Com­puter-Eingabe-Methoden für Schriftzeichen, eine Tasse Tee usw.usw. Das wieder­ent­deckte bzw. neuerfundene "Alte" hat Konjunktur.“ Bezeichnenderweise bestätigen sich Stereotypen oft in der sich überkreuzenden Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung – ein Thema, auf das wir an anderer Stelle ausführlicher eingehen werden.

Die Rezeption chinesischer Kultur, mag man sie nun mit kritischen Anführungszeichen versehen oder auch nicht, in Europa und Deutschland ist selbst schon wieder Geschichte, die uns einiges lehren kann, gerade in ihren Moden und Absonderlichkeiten. In diesem Sinne haben wir den nachfolgenden Beitrag aus einer Debatte Mitte der 80er Jahre auf diese Seite von historia interculturalis auf­genom­men.

W.G.

 

 

Originaltitel:

Yin und Yang im Klassenzimmer: ex oriente nox? Anmerkungen zu lngeborg Mecklings und GundeI Matten­klotts Beiträgen in DD 84, 1985, in: Diskussion Deutsch 86, S. 692 – 695

© 1985/2006 Thomas Lange

Kontakt T. Lange

Yin und Yang im Klassenzimmer?

China-Moden der 80er Jahre – mit einem kurzen Rückblick auf Brecht

Redaktionell überarbeiteter Beitrag aus Diskussion Deutsch 86, 1985

von Thomas Lange

 

 

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In zwei Beiträgen der Zeitschrift Diskussion Deutsch (Heft 84/1985) wurde ein Denk­modell ins Licht der Diskussion gestellt, das bis dahin eher in kleinen Zirkeln sich verborgen hatte: die Sucht, Rettung beim "Uralten" zu finden. Es war nicht, wie bei gestandenen Konservativen, das "Klassische", es waren nicht "die Alten", nein, das UR-Alte musste es sein, nämlich die Geheimnisse des Fernen Ostens, das Tao und Yin und Yang. Nun, zwanzig Jahre später, sind Tai Chi, Qi Gong, Bachblüten, Gaia, Heilenergien, Rebirthing, Reiki, Karmaarbeit etc. pp. zum esoterischen Alltag bzw. ist Esoterik alltäglich geworden. Das war ein Anlass, diese Miszelle wieder her­vorzuholen, die damals – offensichtlich vergeblich – versuchte, jenes Denkmodell ins Licht der Kritik und damit in seiner Unreflektiertheit bloß zu stellen: westliches Denken spiegelt hier das Licht des Ostens gleichsam blind, nämlich ohne es zu reflektieren.

Die Einleitung wurde überarbeitet, der restliche Text original belassen inkl. alter Rechtschreibung.

Ingeborg Meckling, "Sehenlernen - Einführung in das bildhafte Denken", S. 388-409, und Gundel Mattenklott, "Spiel­regeln in der Literatur", S. 419-435

Der Westen hat den Fernen Osten auf zwei Arten mißverstanden: als Vorbild im Irratio­nalen und im Rationalen. Die Beiträge von Meckling und Mattenklott sind Beispiele für das erste, Brechts Suche nach dem „Verfremdungseffekt in der chinesischen Schau­spiel­kunst“ für das zweite.

Ausgehend von einem platten, weil allzu planen Zweifel an der rationalen Wissenschaft, konfrontiert I. Meckling das westliche, logische Denken mit östlichen "uralte[n] Prak­tiken" (5.390): die analytische Wissenschaft der östlichen synthetischen Welt­erkenntnis, die mecha­nistische Physik der taoistischen Poesie, das ,männliche' dem ,weiblichen' Denken (S.390, Anm. 7; S.403, Anm. 38; S.409). G. Mattenklott sieht im "wirklich Uralten", dem chine­sischen Orakelbuch I Ging eine Spielanleitung zur Poesie: aus Staborakelwürfen solle man einen Roman komponieren (S.433 f.). Mattenklott bemüht I Ging (neben Schach, Tarot und einer Gruppe französischer Manieristen), um in der Schule zu einer "Literatur, die wir alle machen können" zu kommen. Denn: "Das Spiel setzt gegen die allgemeine Unvollkommenheit die Vollkommenheit eines begrenzten Ganzen" (S.435). Hier scheint mir das Motiv zu liegen, die Gemeinsamkeit all dieser Versuche, das "Östliche" zum Vorbild zu erheben: die Flucht aus den Konflikten, aus der "allgemeinen Unvollkommenheit" in die "Vollkommenheit". Folge­richtig endet Matten­klott denn auch bei der Kabbala, der adamitischen Ursprache, beim Ende der "Mehrdeutigkeit", bei der Wahrheit also oder beim Stein der Weisen.

 

[1] Jonathan D. Spence, Ich, Kaiser von China. Ein Selbstporträt des Kangxi- Kaisers. New York 1974; zit. nach der Ubers. Frankfurt/M. 1985,5.105; s. auch 5.71, 91.

[2] Ebd., S.159, 217,108.

Nun ist diese eindeutige Wahrheit in unserer unvollkommenen Welt offensichtlich nicht denkend, sondern nur in stummem Einverständnis zu finden. Erschreckend deutlich macht das Mecklings Vision vom "Lehrer der Zukunft": er sitzt in einer Art "unio mystica" neben den Schülern und "wartet ganz einfach"! (S.402, Anm.34) Wendet man sich nun der östlichen Wirklichkeit zu, aus der dieses obskure Licht uns leuchten soll, so hat hier ganz sicherlich die Vorstellung vom schweigenden zenbuddhistischen Meister Pate gestanden. Aber der war eben auch im Osten Eremit oder Mönch, alternativer Außenseiter einer Gesellschaft, die sich sonst sehr lebenstüchtig die Mehrdeutigkeit der Orakel zunutze zu machen wußte. Denn wie seit je die aufgeklärten Politiker bei abergläubischen Völkern Orakel zu ihren Macht-Gunsten zu wenden wußten (schon von Cäsar wird das berichtet), so handelte z. B. auch der chinesische Kaiser Kangxi im 17. Jahrhundert. Er wußte die Hexagramme des I Ging in den Dienst seiner (relativ) aufgeklärten Herrschaftstechnik zu stellen ("Das Dao des Beamtenseins [. . .] sei aufrichtig im Dienst, stifte nicht allzuviel Unruhe"[1]). Jene Daoisten aber mit den "uralten Praktiken" und dem Hang zur Übernatürlichkeit hielt er für "Betrunkene oder Idioten", ihre Reden für "leeres Geschwätz", und wenn sie Irrlehren verbreiteten wie die, daß man im Vertrauen auf den Wurf des Orakels untätig bleiben könne, dann ließ er sie enthaupten. [2]

 

[3] Martin Buber, Die Lehre vom Tao. Zit. nach Adrian Hsia (Hrsg.), Deutsche Denker über China. Frankfurt/M. 1985 = insel taschenbuch. 852, 5.302.

[4] Zit. nach Hsia, a.a.O., 5.166.

[5] Zit. nach ebd., 5.153 (aus den "Vorlesungen über die Philosophie der Religion").

[6] Karl Jaspers, Aus dem Ursprung denkende Metaphysiker. Zit. nach Hsia, a. a. 0., S. 320 f., 368.

Diesen barbarischen Rat aus dem Fernen Osten wollen wir uns natürlich nicht zu eigen machen, aber vielleicht bedenken, daß im Abendland "bemerkenswerterweise die Welt­erklärung, die man [im Dao - T. L.] erblickte, stets mit den Neigungen der jeweiligen Zeit­philosophie" zusammenfiel. [3] Zeittypisch, aber vielleicht doch nicht so zeitbeschränkt, sofern man ihn als gültige Ausprägung westlichen Denkens betrachtet, wäre etwa die grobe Äußerung G. F. W. Hegels, der in seinen "Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" die Orakel des I Ging als "Zauberei" und "Geistlosigkeit" verdammte. [4] Er gibt allerdings auch den Unterschied - aus seiner Sicht: den Vorzug - des westlichen Philosophierens zu bedenken. Denn mit ihm ist das "Moment der Subjectivität, das will sagen, das sich in sich Reflectiren des einzelnen Willens", d.h. die "immanente Vernünftigkeit verbunden, wodurch der Mensch Wert, Würde in sich und Schutz gegen das Äußerliche hätte" [5]. In einer verständnisvollen, doch sich der Probleme des Verstehens bewußten Analyse ("Es ist zu widerraten, nur eine einzige Übersetzung zu lesen", weil nämlich sonst der "Nichtsinologe aus der Ungewißheit nicht herauskommt") wird von Karl Jaspers das Tao als logischer Zirkel beschrieben, dem das für uns Unumgängliche fehle: "Das Leben in Frage und Antwort und neuer Frage [. . .] der Ansatz zur grenzenlosen Selbstreflexion, dieser, im Unterschied von der vollendeten Ruhe im Tao, in der Zeit nicht aufhörenden Bewegung" [6], mit anderen Worten, was bei uns "Leben".

 

[7] G. W Leibniz, Novissima Sinica (1697). Zit. nach Hsia, a.a. 0., S.17.

 

 

 

 

[8] Bertolt Brecht, Verfremdungseffekte in der chinesischen Schauspielkunst. In: Der Messingkauf = Gesammelte Werke, Bd.16. Frankfurt/M. 1967, S.619-631.

[9] Ebd., S.619.

[10] Bertolt Brecht, Der Weg zum großen zeitgenössischen Theater (1930). In: Gesammelte Werke, Bd. 15, S. 203 f.; vgl. zu den angeblichen asiatischen Einflüssen auch die Anmerkungen von Jan Knopf zur entsprechenden Literatur in: Jan Knopf (Hrsg.), Brechts "Guter Mensch von Sezuan" Materialien. Frankfurt/M. 1982, S. 306-308.

[11] S. dazu die umfassende Darstellung des Brecht- und China-Kenners Wolftam Schlenker, Brecht hinter der Großen Mauer. Zu seiner Rezeption in der Volksrepublik China. In: R. Grimm, J Hermand (Hrsg.), Brecht-Jahrbuch 1980. Frankfurt/M. 1981, S.43-137.

Erinnert I. Mecklings "Kehrtwende" von der "rational-mentalen Bewußtseinsschicht zur arational-supramentalen Schicht" (S. 402, Anm. 34) fatal an die Altertümeleien der völkischen "Deutschwissenschaft" (ohne nationale Vorzeichen), so steht das rationale Mißverständnis des Fernen Ostens in einer älteren Tradition. Es ist verknüpft mit den Wünschen der aufklä­rerischen Intellektuellen Europas, bei sich eine moralische und vernünftige Gesellschaft zu errichten, die sie - von nicht unparteilichen Jesuiten- Berichten beeinflußt - im chinesischen Kaiserreich ihrer Zeit so sehr vorgebildet sahen, dass Leibniz (ob es ein Gedankenspiel war?) vorschlug, "daß man Missionare der Chinesen zu uns schickt"[7]. Denn bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sah man in China vor allem eine vorbildlich vernünftige Zivilisation, weil das dem eigenen Bedürfnis nach einem vernünftigen Vorbild am ehesten entsprach. (Das politische Vorbild "China" wurde zuletzt von der revoltierenden Studentengeneration der sechziger Jahre gepriesen; man lese dagegen, was chinesische Schriftsteller heute über die Zeit der mao­istischen "Kulturrevolution" schreiben!)

In dieser rationalistischen Tradition steht letztlich auch Brecht. Denn die "Verfrem­dungs­effekte in der chinesischen Schauspielkunst", jenes bewußte Vorführen von Symbolen, ritualisierten Gesten und überdeutlichen Masken sah er als Mittel gegen die "bis zur Selbstaufgabe gehende Einfühlung des Zuschauers", als "Technik" oder "Tricks", mittels derer der Artist sich selber zusieht, Illusion zerstört und damit beim Zuschauer eine "betrachtende, zuschauende Haltung kultiviert" [8]. Wie stets in seiner Theatertheorie zielte der Aufklärer Brecht darauf ab, daß der Zuschauer denkt und nicht fühlt, daß seine Reaktion auf die Poesie im "Bereich des Bewußten" [9] stattfindet. Um so mehr verwundert es, wenn I. Meckling auch Brecht zum Zeugen für fernöstliches "schauendes Denken" anruft (S.390, Anm.7).

Nun hat Brecht sich des Asiatischen als Material oder Verkleidung (etwa in "Me-Ti, Buch der Wendungen") gern, aber souverän und listenreich für seine Zwecke bedient. Nichts lag ihm ferner als das "Exotische" am "Asiatischen", von dem er nach eigenem Eingeständnis wenig wußte und an dem ihn nur interessierte, was für seine Theorie des epischen Theaters brauchbar schien. "Man wird sehen, daß es uns weit gleichgültiger ist, wenn wir selber dem asiatischen Theater Falsches unterschieben sollten." Und "um dem Begriff ,asiatisch' vollends den letzten exotischen Pomp zu nehmen" deklariert er, daß "die ,niedrigen' Aufführungen des Münchener Lokalkomikers Karl Valentin [. . .] etwas ,Asiatisches' haben sollen" [10]. Die Nagelprobe auf dieses rationale west-östliche Mißverstehen - und zugleich einen Schritt zum Verstehen öst-westlicher Differenzen - kann man machen, indem man die Wirkung des "asiatischen" Marxisten Brecht in der sozialistischen Volksrepublik China untersucht. Da ist zu konstatieren, daß Brechts Theaterstücke im Herkunftsland der "chinesischen Schauspielkunst" überwiegend als "ermüdend" und langweilig empfunden werden, weil der Verfremdungseffekt die gemütvolle Identifikation verhindert, die der chinesische Zuschauer von der eigenen traditionellen und modernen Bühnenkunst dringend erwartet. [11] Wie fremd uns auch die ritualisierte, übertreibende Spielweise auf der chinesischen Bühne sein mag: sie dient dazu, Illusion zu erzeugen, Distanz zu vermeiden. Denn natürlich sind Unterschiede zwischen "dem" Westen und "dem" Osten vorhanden, nur liegen sie mitunter ganz woanders als da, wo der ostsüchtige Westler sie vermutet.

 

[12] Brecht, Verfremdungseffekte, S. 626.

[13] Hu Suping, Sinn und Funktion der Veränderungen in Brechts "Kaukasischem Kreidekreis" gegenüber seiner Vorlage - dem chinesischen Singspiel "Der Kreidekreis". Abschlußarbeit an der Deutschen Abteilung des Fremdspracheninstituts Guangzhou, Sommer 1984. Handschr., S. 34 f. –Schlenker, Brecht hinter der Großen Mauer, S. 99 ff.

So bemerkte Brecht, der erst 1935 in Moskau chinesisches Theater auf der Bühne sah (seine Verfremdungsidee war zu dieser Zeit längst formuliert), daß zwischen euro­päischem und chinesischem Theater noch andere Barrieren standen: "Es ist zunächst schon schwierig, sich, wenn man Chinesen spielen sieht, frei zu machen von dem Gefühl der Befremdung, das sie in uns, als in Europäern erregen. Man muß sich also vorstellen können, daß sie den V-Effekt auch erzielen bei ihren chinesischen Zuschauern." [12] Und genau das stimmt nicht. In den Worten einer - modern ausgebildeten, aber traditions­bewußten - chinesischen Studentin des Faches Deutsch (1984) begeht Brecht hier einen "sichtlichen Denkfehler":

"Hier wird das ,Gefühl der Befremdung', das durch die Schauspielweise eines anderen Volkes erweckt wird, mit dem durch Verfremdungstechnik veranlaßten Befremden durcheinander­gebracht. Die Schlußfolgerung ist falsch. In Wirklichkeit kann die Darstel­lung der chinesischen Schauspieler bei dem chinesischen Zuschauer weder das durch die Schauspielweise veranlaßte Befremden erwecken, noch Verfremdungs-Effekte erzielen. Das chinesische Theater wirkt gerade dadurch auf den Zuschauer ein, daß er sich mit den Personen der Handlung identifiziert, obwohl die chinesischen Schauspieler auf restlose Verwandlung verzichten. Im chinesischen Theater sind die meisten Masken und Gesten der Bühnenfiguren von Generation zu Gene­ration überliefert. Diese stilisierten Gesten und Masken deuten auf wirkliche Gefühle und bestimmte Charaktere. Weil die chinesischen Zuschauer diese Gesten und Masken erkennen, können sie sich leicht in die Personen der Handlung einfühlen. (Denn) die stilisierten Gesten und Masken des chinesischen Theaters (beruhen) auf hypnotisch suggestiver Grundlage als den Mitteln, mit denen die Illusion der Wirklichkeit erzeugt und dadurch die Einfühlung erzielt wird". [13]

 

 

 

 

[14] Schlenker, Brecht hinter der Großen Mauer, S. 99ff.

 

 

 

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Gefühle zu erleben, die in Andeutungen und Zeichen mehr verschwiegen als exponiert werden, das ist sehr chinesisch. So war das Wichtige an der Aufführung von Brechts Stück "Galileo Galilei" 1978/79 in Peking nicht, daß es durch die Regie zu einer einfühlsamen Mitleids­tragödie umgestaltet wurde, sondern daß damit andeutend auf die noch andauernde Unter­drückung von Wissenschaft und Kunst gezeigt wurde.[14] In einem sich wandelnden China kommt das Licht für die Menschenrechte des Individuums aus dem Westen. Denn die Idee der Freiheit des reflektierenden Subjekts ist die immer noch moderne Botschaft des Westens. Was immer er von der meditierenden Gelassen­heit des Fernen Ostens lernen kann (in dem weit weniger die dunkle Lässigkeit des Tao verwirklicht war und ist als die erbarmungslose konfuzianische Unterordnung): bei allem Zweifel an der "Verkopfung" sollten wir im Westen unser Haupt von den dämmernden Nebeln aus dem Osten freihalten, damit aus dem Licht nicht Dunkelheit und aus dieser kein Schaden wird; oder, um die Anregung zum Spiel mit Worten aus DD 84 aufzugreifen, damit aus "lux" nicht "nox ex oriente" und schließlich "noxa" werde.

 

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Th. Lange

 

 

 

 

 

 

 

 

 

corvustempus

 

 

Ó 1998/2005

W. Geiger

Kontakt W.Geiger

Wolfgang Geiger

Das westliche Asienbild im Zeitalter der Globali­sierung

Aktualisierte Beobachtungen und Notizen von 1997

 

 

Überarbeitete Version von »Das westliche Asienbild im Zeitalter der Globalisierung – aktuelle Beobachtungen und Notizen«, in: Orientierungen­ – Zeitschrift zur Kultur Asiens (Bonn), 2/1998, 1-11.

 

L’image de l’Asie en Occident à l’époque de la mondialisation

Observations et notes de 1997, actualisées

China5

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] wie es Wolfgang Kubin treffend in seiner Kritik dar­gelegt hat (Orientie­rungen 1/1997).

 

 

 

Kulturen sind komplex. Jeder findet in ihnen, was er sucht.

Thomas Kleine-Brockhoff in Die Zeit 1997.

 

Der Blick des westlichen Global Player nach Ostasien schwankt zwischen der Versuchung, von dem dortigen Boom zu profitieren, und der Angst, dabei unter die Räder zu geraten. Gegenwärtig ist wieder Optimismus angesagt, wenn auch gedämpft. Man erinnert sich nämlich noch an den ostasiatische Börsen- und Finanzkrach des Jahres 1997, der damals ein Ventil für Ressentiments in der Presse öffnete, in denen sich analog offene Schadenfreude darüber mit Angst vor den Auswirkungen auf die Weltkonjunktur mischte... und uralte Klischees mit neuen verschmolzen, bis hin zur gezielt aufgegriffenen Parole von der „Gelben Gefahr“.

»Die anderen Kulturen wollen sich modernisieren, nicht unbedingt verwest­lichen So resümierte Samuel Huntington seinen Vorwurf an den Rest der Welt in der Zeitung Le Monde (18.11.1997) anlässlich der franzö­sischen Über­setzung seines Buches, das lediglich eine den Leser strapazierende Aus­walzung der Thesen seines Artikels von 1993 darstellt [1]. Diese stießen schon damals auf eine, wie mir scheint, eher verdächtige denn beruhigende Ein­mütigkeit der Ablehnung, jedenfalls in Deutschland (mit wenigen Ausnahmen). Verfolgt man nämlich die Pressekommentare zu den Entwicklungen in der Welt, so drängt sich der Verdacht auf, dass Huntingtons Klischees in Wirk­lichkeit schon längst Eingang gefunden haben in die Welt­sicht, wie sie uns durch die Zentralorgane der öffentlichen Meinung wie z.B. Die Zeit  mehr oder weniger aufgezwungen wird.

 

 

 

 

 

Le regard occidental sur l’Asie orientale est caractérisé par l’opposition entre attraction et peur, sur le plan géopolitique et géo-économique aujourd’hui comme sur le plan culturel autrefois.

Le reproche de Huntington :

« Les autres civilisations veulent se moderniser, pas forcément s’occidentaliser. »

 

[2] Cf. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien (Europa-Ver­lag) 1996, Siedler-Taschenbuch 1998.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[3] Huntington, op. cit., p.268ff.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

SAVE2872

[4] ÖJürgen Clemens

Presseauswertung zur  „asiatischen Herausforderung“ 1996

Die Untersuchung erschien im Mai 1997.

 

 

 

 

 

 

 

 

Huntington [2] wird zu Unrecht als der Prophet des neuen Welt­konflikts mit dem Islam gesehen, vor allem nach den Anschlägen des 11. September 2001 – zu Unrecht, denn Huntingtons Weltvision befasst sich mit der ganzen Welt und nicht prioritär mit dem Nahen Osten. Anders als im Falle der islamischen Welt geht es im Huntingtonschen Konfliktszenario bezüglich Ost­asiens auch nicht primär um den Vorwurf der aus­blei­benden Verwest­lichung, wie es der oben zitierte Satz suggeriert, sondern um die stattfindende Moder­nisierung. Durch seine ökonomische Ent­wicklung werde China zum größten Konkurrenten des Westens werden, prognostizierte Huntington gewiss zutreffend, und das sei der eigentliche casus belli. In nicht allzu ferner Zukunft wird man sich somit die Frage stellen können, möchte ich meinerseits anschließen, welches China im Rückblick der größere Alptraum des kapitalistischen Westens darstellte: das von einer Milliarde Kommunisten oder das von einer Milliarde Menschen, die den Reichtum des Kapitalismus auch für sich haben wollen. Huntingtons China beschränkt sich übrigens nicht auf den gleichnamigen Staat, vielmehr schließt er das politisch verfeindete Taiwan sowie die »chinesisch geprägten« südost­asiatischen Staaten zu einem geopolitischen und -ökonomischen Groß-China zusam­men, das von derselben Kultur und intensiven Verwandt­schafts­beziehungen führender Schichten geprägt sei, die Auslands­chinesen seien eine Art wirtschaftliche 5. Kolonne Chinas in der Eroberung dieses Teils der Welt [3]. Damit untermauert Huntington die in jener Region verbreiteten Furcht vor den ethnischen Chinesen, die immer wieder in xenophoben Ausschrei­tungen kulminiert. Huntington versteht es sogar, gegenläufige Tendenzen auf diesen Nenner zu bringen, denn nicht nur chinesische Investitionen in diese Länder sind entsprechend suspekt, sondern auch das Gegenteil, der Abzug von Kapital durch die Investitionen von Auslandschinesen in China, zu der sie sich nach den geglückten Experiment der Rückkehr Hongkongs nach China ermuntert sahen.

In einer Analyse der Medienberichterstattung zur „asiatischen Heraus­forderung“ 1996 bilanziert Jürgen Clemens ein Panoptikum von Bedrohungsdebatten à la Huntington:

»"Asien gegen den Westen". Mit dieser Feststellung und ohne jedes Fragezeichen präsentierte das deutsch-französische Gemeinschafts­programm Arte in der Reihe Was unter den Nägeln brennt einen Themenabend zu Asien. Auch wenn die französische Redaktion sich etwas zurückhaltender zeigte und die Sendung Globalisierung: "Muß man Angst vor den Drachen haben? " [Mondialisation: Faut-il avoir peur des dragons?] nannte, so wird doch deutlich: Der Eindruck wird erweckt, daß Angst umgeht[4]

Kurz nach den düsteren Prophezeiungen über den ökonomischen Siegeszug des von Huntington so genannten „sinischen Kultur­kreises“, kam es bereits zum ostasiatischen Finanzkrach des Jahres 1997. Eine nicht nur klammheimliche Freude durchzog alsbald die westlichen Medien, so z.B. im Titel der Zeit vom 12.9.1997: »Asien ist doch kein Modell [...] Die Tigerstaaten sind geschwächt, die Zeit des Hochmuts geht zu Ende - nutzt Europa seine Chance

Theo Sommer bemüht darin die Tradition universal­geschichtlicher Visionen »von Marx über Spengler bis zu den Apo­kalyptikern unserer Tage« (gemeint ist Huntington), die die Wanderung des »Schwer­punkts der Geschichte« von Osten nach Westen, von Europa nach Amerika und von dort in den pazifischen Raum vorhergesagt oder gefürchtet hatten. Sommer will solche Prophetien angesichts der aktuellen Situation ad absurdum führen, dabei offenbart er jedoch nolens volens mehr Gemeinsamkeiten als Unter­schiede mit jenen »Herolden der Kon­frontation zwischen Ost und West«, näm­lich west­lichen Hochmut in der Denunzierung asiatischen Hochmuts sowie eigene Häme bei der Feststellung, die Illusion des asiatischen Wunders, der »hämisch trium­phierend viele Asiaten, furchtsam kapitulierend viele Westler« erlagen, sei nun zu Ende, und dies bereits seit einiger Zeit, denn schon zu Beginn der 90er Jahre »platzte [...] Japans Seifenblasen-Wirtschaft.«

Welche Sprache! Welche Einbildungskraft, die »zweitgrößte Volks­wirtschaft der Erde« - ein Faktum, das Theo Sommer am 14.11.97 immerhin in Erinnerung rief - als »Seifenblasen-Wirtschaft« zu apo­strophieren! Als sei sie nur das Produkt jener »weltweiten Speku­lationsblase« (Zeit vom 31.10.97), die in der Folge des fernöstlichen Börsenkrachs geplatzt ist... Der japanische Boom, so schob Som­mer am 14.11. nach, basierte auf einer »Seifenblasen-Konjunktur«, weil auf einer Staatsverschuldung jenseits des Maastricht-Limits. Auch wenn die in dieser Kritik auf­geführten Fakten cum grano salis stimmen, verrät die Wortwahl jedoch, dass es hier um mehr als nur um eine wirtschaftspolitische Schelte geht, denn wer hätte z.B. die USA zu Zeiten ihrer Hochverschuldung als »Seifen­blasen-Wirt­schaft« bezeichnet?

Die Zeit stand mit solchen Ressenti­ments und einer zumindest anfänglichen Schadenfreude, später dann getrübt durch die Furcht vor Auswirkungen auf die Welt­kon­junktur, natürlich nicht allein, auch in der fran­zösischen Presse sprach man etwa vom »großen Bluff«.

Huntington dénonce un impérialisme économique chinois en Asie orientale.

Est-ce qu’on finira par se demander quelle Chine aura fait plus peur aux Occiden­taux : celle d’un milliards de communistes ou celle d’un milliard de Chinois voulant profiter du capitalisme ?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sans doute pas sans lien aux thèses de Huntington, les médias ont posé la question « Faut-il avoir peur des dragons ? » – et cela en 1996, juste avant le crash boursier en Asie.

Alors, en 1997, la presse occidentale était tirée entre les sentiment de soulagement et de peur face à la crise extrême-orientale. Alors les vieux clichés de l’Asie résurgissaient avec violence.

 

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der sich in die Zeit einschleichende Bild-Zeitungs-Effekt reißerischer Schlagzeilen, die oft weit über das hinausgehen, was der Artikel dann eigentlich bringt, aber den­noch oder gerade deswegen den Leser beeinflussen, weil sie vorgeben, den Artikel zu resümieren; so z.B. klassisch am 14.11.1997: »Die japanische Gefahr«, semantisch doppeldeutig am 26.11.: »Die Stunde der Abrechnung«, oder im Killer-Jargon am 31.10.: »Ge­schwächt, aber nicht erledigt«, über die fernöstlichen Volkswirtschaften nach dem Crash.

Interessanter noch als diese trotz allem oberflächlichen und zumindest in ihrer Wortwahl primitiven Spontanreaktionen sind jedoch andere, weiter­gehende Überlegungen zum Verhältnis zwischen den Kulturen in der Zeit als Reaktion auf die Huntington-Thesen. »Ein gewaltsamer Zusammenprall der Kulturen kann vermieden werden«, schrieb dort Helmut Schmidt am 3.10.1997 als Begründung für einen Katalog der Verantwortungen und »Menschen­pflichten«, die den Menschenrechten zur Seite gestellt werden sollten (ausge­arbeitet von dem internationalen InterAction Council, dem Schmidt angehört). In Anerkennung der Univer­salismus-Problematik schrieb er dazu weiter:

 

 

 

 

Dans Die Zeit on s’interrogeait sur l’universalité et les différences des valeurs dans le monde, notamment entre l’Europe et l’Asie, et donc sur la validité du concept de « combat entre les cultures » de Huntington.

Die Zeit, 3.10.1997

Heute, beinahe ein halbes Jahrhundert nach der Universal Declaration of Human Rights, ist deren notwendiger sittlicher Imperativ gegenüber der Menschheit und ihren zweihundert souve­ränen Staaten in Gefahr. Denn zum einen wird das Stichwort »Human Rights« von einigen westlichen Politikern, zumal in den USA, als Kampfbegriff und als aggressives Instrument der außen­politischen Presse benutzt. Dies geschieht zumeist selektiv: zwar gegenüber China, Iran oder Libyen, nicht aber gegenüber Saudi-Arabien, Israel oder Nigeria. Die Gründe für solche Einseitigkeit liegen in ökonomischen und strategischen Interessen.

         Zum anderen werden die Human Rights von manchen Muslimen, Hindus und Kon­fuzianern als ein typisch westliches Konzept aufgefasst und teilweise sogar als Instru­ment zur Verlängerung westlicher Vorherrschaft denun­ziert. Darü­ber hinaus hören wir besonders in Asien den erstzuneh­men­den, ernsthaft begründeten Vorwurf, das Grund­rechtskonzept vernach­lässige oder verkenne gar die Notwen­digkeit von Tugenden und von Pflichten und Verantwortlich­keiten des einzelnen gegenüber der Familie, der Gemeinde, der Gesellschaft oder dem Staat.

 

 

Nun offenbart der veröffentlichte Entwurf für einen Katalog der Menschen­pflichten gewiss viele Schwächen und dadurch seine Problematik, etwa bei der Tautologie »Jede Person [...] hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln« (Art.1), oder generell durch eine gewisse Naivität; treffend dagegen ist die Übernahme des Kantschen Imperativs, vielleicht die einzige echte, das heißt transkulturelle Universalie (was keineswegs bedeutet, sie würde auch real gelebt...), leider etwas läppisch in Gestalt des deutschen Sprichworts formuliert: »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu« (Art.4). Uns interessiert jedoch die anschließende Debatte, vor allem die Reaktion von Thomas Kleine-Brockhoff in derselben Zeitung am 17.10.1997, der den Autoren des Menschenpflichts-Katalogs vorwirft, dem Kultur­relativismus in die Falle gegangen zu sein. Konkret wendet er gegen Schmidt ein:

 

Die Zeit, 17.10.1997

Helmut Schmidt glaubt, »ein Minimum weltweit gemeinsam anerkannter ethischer Standards« werde für das »interkontinentale Zusammenleben« zur Notwendigkeit. Gerade in Asien gebe es den »ernstzunehmenden, ernsthaft begründeten Vorwurf«, das Grund­rechts­konzept »vernach­läs­sige oder ver­kenne« die Verantwort­lichkeiten des einzelnen. Dieser Kritik will das Pflichtenheft Rechnung tragen, um einen »Kampf der Kulturen« zu vermeiden.

         Doch welchem Asien will Schmidt eigentlich entgegenkommen? Gewiss plädiert er als Kritiker »permissiver Erziehung« nicht für sexuelle Frei­zügigkeit, wie sie in manchen asiatischen Ländern verbreitet ist. Sicher will er als Kritiker des Mordens auf Fernseh­schirmen nicht asiati­sche Gewaltfilme fördern. Ohne Zweifel will er als Kritiker eines »spekulativen Raubtier­kapita­lismus« nicht jenen Familienclans aus den Tigerstaaten huldigen, die Profit zu ihrer Ersatzreligion gemacht haben.

 

 

Erstaunliche Denunziation »asiatischer« Unmoral! Gehen wir in umgekehrter Reihenfolge auf diese Punkte ein:

          1. »Profit als Ersatzreligion asiatischer Familienclans«. (»Pures Profit­denken« heißt es ebenfalls bei Theo Sommer). Was ist daran typisch asiatisch? Nichts. Hier wird ein neues Phänomen in Asien denunziert, das im Westen schon längst verinnerlicht ist (»Profit als Ersatz­religion«) und sogar seit einem Jahr­zehnt eine erstaunliche Renaissance durch die Befreiung von sozialer Moral feiert. Gewiss gibt es heute im Westen weniger bourgeoise Familienclans als früher, macht die Anonymi­sierung des Kapita­lismus in Aktien­gesellschaften ihn am Ende humaner? Der Hinweis auf die »asiatischen Familien­clans« sug­geriert mehr, nämlich eine mafiöse, mithin vorindustrielle, vordemo­kratische und krimi­nelle Struktur des asiatischen Kapitalis­mus. Deutlicher formuliert dies noch Theo Sommer: »Vettern­wirtschaft und alles durchdringende Kor­ruption«. Mag ja sein, aber: Im Westen unbekannt? Am 4.7.1997 erst hatte die Zeit das rasante Ansteigen der großen und kleinen Wirtschaftskriminalität in Deutschland angeprangert (»Wir Abzocker«) und die Befürchtung geäußert, daß es bald keine Wirtschaftstransaktion auf rein legaler Basis mehr geben werde.

Dans un article critiquant la position de l’ex-chancelier Schmidt qui cherche une base de coexistence interculturelle, on revient aux pires préjugés de l’époque coloniale sur l’Asie : on dénonce une Asie inhumaine, une « civilisation de la violence », en liant les vieux stéréotypes au reproche actuel huntingtonien de vouloir établir un capitalisme sans les valeurs occidentales.

 

2. »Asiatische Gewaltfilme«. Will der Autor damit andeuten, dass es im Westen keine Gewaltfilme gebe, oder sollen amerikanische und europäische Gewaltfilme besser sein? Nein, »asiatische Gewaltfilme« sind natürlich nicht irgendwelche: Die Verbindung zwischen dem Adjektiv »asiatisch« und dem Substantiv »Gewalt-« knüpft an uralte Stereotypen über Asien an. (Ich komme darauf zurück).

Une analyse détaillée montre qu’on ne reproche aux Asiatiques que le côté tabouisé de la civilisation occidentale :

 

 

3. »Sexuelle Freizügigkeit, wie in sie manchen asiatischen Ländern verbreitet ist Zweifellos das Skandalöseste an der ganzen Pseudo-Argumentation: Damit ist doch wohl die Prostitution gemeint? Auch wenn sie heute in Thailand und anderswo gewiss bereits die eigentlich touristische Dimension über­schritten hat, ist sie aber nichts­destoweniger ein direktes Resultat davon. Schon in der Kolonial­literatur wurde dies als »einhei­mische Sitte« dargestellt, was erlaubte, die Euro­päer von moralischen Skrupeln zu befreien, wenn sie sich z.B. den Wonnen des »Tempels der Religion der Sinne« hingaben, wie der französische Marineoffizier und Schrift­steller Claude Farrère in seinem Roman Les Civilisés (1902) die Stadt Saigon apostrophiert. Mit anderen Worten: Man konnte davon profitieren und es gleich­zeitig als unmora­lisch denunzieren, denn man passte sich ja nur fremden Sitten an. Auf dieses Niveau wieder abzusinken, ist sicher­lich das erstaun­lichste an diesem Artikel in einer Zeitung, die für sich einen intellektuellen und moralischen Führungsanspruch in Deutsch­land erhebt. Es entspricht übrigens exakt der Ideologie, die in einem anderen Zusammenhang den Sklaven­handel rechtfertigte (und dies zum Teil heute noch tut): Nicht die Sklaven­händler waren danach am Sklavenhandel schuld, sondern die einheimischen Poten­taten, die ihre Untertanen verkauften; im übrigen sei die Sklaverei in jenen Ländern Afrikas ohnehin Usus gewesen. So noch ganz offen in der Fischer Weltgeschichte Bd.32, herausgegeben von Pierre Berteaux. Andere Beispiele könnten noch genannt werden.

1. le capitalisme comme une quasi-religion…

(– n’existe pas en Occident ?)

2. la violence dans le cinéma…

(– n’existe pas en Occident ?)

3. la permissivité sexuelle…

(– l’Occident n’est pour rien dans la prostitution en Asie orientale ?)

 

 

Verallgemeinert kann man sagen, dass aus europäischer Sicht die nega­tiven Auswirkungen der interkulturellen Begegnung auf die anderen Kulturen stets denen zum Vorwurf gemacht wurden. Doch die massive Prostitution in Südostasien ist nach dem Gesetz des Marktes das Angebot auf eine Nachfrage, also ein Resultat der Globa­lisierung, der »Verwest­lichung«. Ist es ein Wunder, wenn neben anderen Faktoren solche »Um­wertungen aller Werte«, um mit Nietzsche zu sprechen, fanatische Reaktionen in Form von religiösen Fundamentalismen hervorrufen, wie im afrika­nisch-orientalischen Raum? Werden die alten Sitten und Traditionen wiederhergestellt - oft um so radikaler und mit Mitteln, die wir auch als Kritiker westlicher Hypokrisie nicht zu rechtfertigen brauchen -, so greift das Huntingtonsche Propagandaschema mit der Bedrohung des Abend­landes im Kulturkampf.

 

 

Womit wir wieder beim Aus­gangspunkt wären.

Fazit: Nicht ein Mangel an Verwestlichung, sondern ein Übermaß davon, jeden­falls von einer gewissen Verwestlichung, erzeugt kultu­relle und politische Widerstände gegen die im ökonomischen Bereich längst vollzogene Globali­sierung. Doch was heißt Globa­lisierung eigentlich genau? Modernisierung und Verwest­lichung? In Wirk­lichkeit wird doch keines von beidem für die Welt gewollt! Beides würde den Westen seiner Vorrang­stellung berauben, die ihm immer noch erlaubt, mit dem Argument der ethisch-moralischen Überlegen­heit politisch-ökonomische Über­legen­heit zu bean­spruchen. Was heute Globalisierung heißt, hat schon vor langem begon­nen, zu Kolonialzeiten versprach man sich jedoch von der »Öffnung« Japans, Chinas usw. für den Weltmarkt etwas anderes, als was später dabei herausgekommen ist: kapitalistische Kon­kurrenz zum Westen statt Abhängigkeit vom Westen. Dass der Westen jetzt Sozial­standards für die einst so genannte Dritte Welt einklagt um die Folgen der von ihm selbst durchgesetzten Globalisierung (d.h. Anschluss an den Welt­markt) zu dämpfen, ist eine Ironie der Geschichte: Soziale Rechte in und für die Dritte Welt waren einst eine For­derung von Sozialismus und Dritte-Welt-Solidaritäts­bewe­gungen. Auch mit dem gerne angeführ­ten Verweis auf das öko­logische Defizit in den »Schwellenländern«, das gewiss ein Fakt ist, wird etwas eingeklagt, das im Westen vor kurzem selbst noch auf heftigsten Widerstand stieß. Tatsächlich kann man sich nicht vorstellen, wie die ganze Welt, oder auch nur die halbe, so ver­schwenderisch und zerstö­rerisch leben könnte wie der Westen bisher. Doch was folgt daraus? Dass der Westen ein Privileg auf den Industriekapitalismus hat? Eine hypothetische Frage, die von der Realität bereits anders entschieden worden ist. Doch in Zeiten, wo Apokalyptiker wie Huntington mit neuen Konflikt- und Kriegsvisionen Einfluss gewinnen, freilich eine Frage, die das westliche Weltbild und die inter­nationalen Beziehungen beeinflussen kann. Der ideologische Zirkel vom Vorwurf der Unterentwicklung zum Vorwurf der Entwicklung wäre geschlos­sen. Unter der Hand werfen daher Prognosen wie »China wird bis 2015 zum weltgrößten Ölverbraucher und damit zum Klimafeind Nummer eins werden« (taz vom 17.10.1997) auch im links­alter­nativen Bereich die Frage auf, ob die industrielle Entwicklung der »Dritten Welt« aus ökolo­gi­schen Gründen zu verurteilen sei. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, und das ökologische Argument wird ebenso offizialisiert werden wie das des sozialen Defizits.

Le débat sur la culture cache le débat sur la dimension économique.

On reproche aux Asiatiques de devenir des concurrents capitalistes sans partager les valeurs prétendument liées aux « bon capitalisme occidental », en cachant que le capital occidental a joué un grand rôle dans la crise financière extrême-orientale.

 

 

Natürlich will ich damit Forderungen nach Sozialstandards und Umwelt­schutz nicht abweisen, sie sind berechtigt, bei uns und anderswo. Worum es hier geht, ist folgendes: Bei diesen pauschalen Vorwürfen wird meistens unter­schlagen – und darin liegt der ideologische Aspekt -, dass die westlichen Investoren und Kapitalanleger an der Entwicklung in Ostasien direkt beteiligt und mitverantwortlich sind, wenn nicht gar die Hauptverantwortlichen, wie bei der »Seifenblasen-Spekulation«: Es waren schließlich die westlichen Speku­lanten, die dort spekuliert, mehr oder weniger rechtzeitig ihr Kapital abgezogen und dadurch den Crash ausgelöst haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[5] Westfälisches Wirt­schafts­archiv, zit. nach: Wolfgang Köllmann (Hg.), Die Indu­strielle Revolution, Stuttgart 1997, Klett Reihe Tempora, p.47.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[6] Cf. Stéphane Courtois (Hg.), Das Schwarzbuch des Kommunismus, München/Zürich (Piper) 1998.

 

[7] Der inflationäre Gebrauch des Begriffs »konfuzianisch«, der jetzt überhaupt alles erklären soll, wäre gewiss einer eigenen Untersuchung wert.

 

 

Es gibt also ein vielschichtig motiviertes ideologisches Bedürfnis die Entwicklung eines eigen­ständigen Kapitalismus in Ostasien zu kritisieren. Die früher im Stammtischdiskurs kultivierte Idee – inzwischen schon weitgehend überholt -, die Japaner imitierten im Prinzip nur westliche Technologie, könnten jedoch nichts Innovatives hervor­bringen, implizierte den Vorwurf des Plagiats und des Copy­right-Diebstahls. Konnotativ klang dies z.B. auch bei Formulierungen wie der folgenden über die japanische Eroberungs­strategie des euro­päischen Computer-Marktes an: »Zunächst kam es den Managern aus Fernost darauf an, sich das Produktionswissen für elektronische Bauelemente anzueignen (Spiegel vom 6.8.1990). Auch der gebil­dete Spiegel-Leser hat wohl die Formel »sich das Produktionswissen ... aneignen« nicht im Sinne von Karl Marx’ Gebrauch des Begriffes »sich etwas aneignen« verstanden, sondern wahrscheinlich eher im Sinne von geistigem Diebstahl, zumal in einem Kon­text milita­risierter Sprache. Militärjargon ist im Wirtschaftsjournalismus gewiss nicht unüblich (»Märkte erobern« etc.), in besagtem Artikel jedoch extrem: »Ein Brückenkopf in Europa« überschrieben, erklärt er die »Kampf­strategie« der Japaner, ihre wichtigsten »Geheimwaffen«, wie sie sich langsam auf fremden Märkten »vorschieben« um diese dann »aufzurollen« usw. Eine ebenfalls zum Ausdruck kommende gewisse Faszination für den japanischen Erfolg kompensiert das keineswegs.

Der Vorwurf der illegalen Produktkopien, den man heute China macht, auch und v.a. hochwertige Industriemaschinen betreffend, ist eine Ironie der Geschichte, denn auf keine andere Weise kam die Dampfmaschine seinerzeit nach Deutschland. In einem guten Geschichtsunterricht können dies heute die Schüler schon erfahren, wie schrieb doch der Industriepionier Friedrich Harkort 1827 in einem Brief von der Ruhr nach Chemnitz über die Herkunft seiner Maschinen: „Unsere Maschinenbeziehungen aus England haben wir nur durch Mittelspersonen, welche schmuggeln, bewerk­stelligen können [...]“[5]. Damals gab es übrigens schon Patentrecht und Copyright. Dies war Jahrhunderte zuvor natürlich nicht der Fall, als sich westliche Reisende aus China das Know-how holten, das ihnen später zur Erschließung und Eroberung der Erde diente, vom sogenannten Lateiner-Segel, das in Wirklichkeit ein Chinesen-Segel war, bis zum Schießpulver.

Immerhin gestand man den Japanern noch zu, dass die Kopie manchmal besser als das Original war. Die Argu­mentation gegen die »Tiger­staaten« heute basiert darauf, dass deren Kapi­talismus eine schlechte Kopie des unseren sei. Sie findet eine bedenkens­werte Parallele auf der Linken, die vor langem schon ihr Verhältnis zum Marxismus-Leninismus mit der Idee eines guten westlichen und einen bösen östlichen Marxismus gelöst hat. Natür­lich waren die gesellschaftlichen Bedingungen in Europa, Russland und China vollkommen verschieden. Wie jedoch selbst der Versuch, dem Kommunismus einen intellektuellen Nürn­berger Prozess zu machen, tendenziell in völker­psychologische Deutungs­muster abgleitet, zeigt das ebenfalls 1977 in Frankreich erschienene »Schwarzbuch des Kommunis­mus« eines Historiker­kollektivs unter der Leitung von Stéphane Courtois [6] (vgl. das Dossier in der Zeit vom 21.11.1997). Beim Versuch, das Unverständliche zu erklären, kommt man dort auf die »tradi­tionelle russische Gewalt«, eine »Kultur der Gewalt« in Russland zurück, natürlich nicht ohne den obligatorischen Verweis auf Iwan den Schrecklichen; die maoistische Obses­sion der Umerziehungslager wird mit dem Konfu­zianismus [7] erklärt, während das Pol-Pot-Regime durch den in den kambo­d­scha­nischen National­charakter einge­gangenen buddhistischen Fatalis­mus ermög­licht worden sei. Ist letzteres nicht ein weiterer Versuch, wenn auch nur angedeutet, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen und die Opfer für ihr Leiden (mit-) verantwortlich zu machen? Man kann noch weiter fragen: Sind diese beiden Phänomene – Gewalt und ihre fatalistische Erduldung – nicht zwei Seiten einer Medaille? Tatsäch­lich hat Ernst Jünger bereits in seinem Welt­krieg-II-Tagebuch Strahlungen die Dia­lektik zwischen russischer Gewalt­tätigkeit und der extremen Leidens­fähigkeit des russischen Volkes formuliert (Eintrag vom 1.4.1945).

Mit der »Kultur der Gewalt« in Russland oder Asien generell sind wir freilich wieder beim Syndrom der »asiatischen Gewalt« von vorhin, einem Ideologem, das auf der Linken die Ein- und Abgrenzung eines asiatischen Kommunismus, quasi als Wiederkehr der »asiatischen Despotie«, ermög­lichte, und auf der Rechten die Theorie der »asiatischen Tat« (Ernst Nolte seinerzeit im sog. Historikerstreit) als Charak­teristikum und Ausgangs­punkt der Massen­verbrechen des 20. Jahrhunderts. Es fehlt nur ein kleiner Ruck, und Linke und Rechte könnten sich darauf einigen, dass nicht Karl Marx, sondern Iwan der Schreckliche und Konfuzius für die »asiatischen Taten« des 20. Jahrhunderts verantwortlich zu machen sind... So wird daher mit zweierlei Maß gemessen: Gerne zitiert man z.B. Zeugenaussagen über Kannibalismus und andere Greueltaten aus dem Taiping-Aufstand, wenn es darum geht, Kon­stan­ten chinesischer Mentalität aufzu­zeigen, während vergleichbare Schreckens­­berichte z.B. aus den Vendée-Kriegen der Französischen Revolution pauschal als unseriös abgetan werden. Und wie umgekehrt der Hinweis auf einheimische »Sitten« die Kolonialprostitution für die Europäer moralisch recht­fertigte, so diente auch der Hinweis auf asiatische Gewalt zur Recht­fertigung der eigenen – paradigmatisch in der »Hunnen-Rede« Wilhelms II. nlässlich des Boxer-Aufstands.

Zum Abschluss dieser kleinen Polemik sei betont: Es geht nicht darum, kulturelle Unterschiede zu leugnen; natürlich gibt es diese auch im Umgang mit Gewalt, im Verbergen oder Zurschaustellen, Verurteilen oder Akzeptie­ren von Gewalt, deren verschiedene Formen je nach kulturellem Kontext, nicht selten aber auch innerhalb von Kulturen (z.B. bei der Todesstrafe) unter­schiedlich gewertet werden, und worüber man wohl zu allerletzt einen interkulturellen Konsens herstellen kann. Dies soll nicht relativiert werden. Vielmehr geht es darum, dass Wissen­schaftler, Intel­lektuelle und Jour­nalisten immer noch in völker­psychologischen Stereotypen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, wenn nicht gar in archetypischen Kategorien noch früherer Epochen, denken und argumentieren. Nicht alle, aber viele; meistens subtiler als früher, aber nicht immer. Dabei geht es dann in letzter Konsequenz gar nicht mehr um »Kulturen der Gewalt«, die nämlich historisch erklärt werden müssten, da Kulturen historisch wandelbare Größen sind, sondern um vermeintliche trans­historische Konstanten von Mentalität, die einem quasi-biologischen, also rassistischen Deutungsmuster entstammen. Und es geht darum, dass man nicht Universalist sein kann, ohne konsequent universalistisch zu denken, dass heißt, die entsprechenden Maßstäbe, an denen man andere misst, auch auf sich selbst und die eigene Geschichte anzuwenden. So verwahren wir Deutsche uns strikt gegen völkerpsychologische Ableitungen der Nazi-Verbrechen aus dem deutschen Wesen, die nicht weniger legitim oder illegitim sind als die Erklärungen der »asiatischen Gewalt« mit der asiatischen Mentalität. Widersprüche zwischen politischem Handeln und Denken im Westen könnten hier noch zu Hauf genannt werden, so preist sich z.B. Frankreich als das Land der Menschenrechte, amnestiert sich aber selbst – und zwar im juristischen Sinne – pauschal für seine eigenen Verbrechen im Algerienkrieg; die USA nehmen für sich eine weltpolitische Mission für Freiheit und Sicherheit in Anspruch, verweigern aber die Anerkennung einer internationalen Gerichtsbarkeit für sich selbst.

Wenn man nicht pauschal Böswilligkeit unterstellen will, wie ist dann zu erklären, dass in hiesigen Asiendarstellungen oft ein prinzipielles Bekenntnis zur kritischen Analyse – etwas bei Thomas Kleine-Brockhoff: »Kulturen sind komplex. Jeder findet in ihnen, was er sucht« (wie wahr!) – in der konkreten Darstellung in schlimmste Klischees und sprachliche Ent­gleisungen umschlägt? Ein Faktor scheint mir im allgemeinen Problem der Wahrnehmung von Fremdem zu liegen, genauer in dem Phänomen, dass man Fremdes – egal, um welche kulturelle Distanz es dabei geht – stets mit der Tendenz wahrnimmt, Partielles zu generalisieren und Äußerliches mit Innerem zu verwechseln, jedenfalls am Anfang. Was man an der Oberfläche einer Gesellschaft sieht, erscheint einem als Ausdruck von deren innerstem Wesen, Unsitte als (fremde) Sitte: Der Hinweis auf die »sexuelle Freizügigkeit in manchen asiatischen Ländern« ist ein unverhofft krasses Beispiel dafür, so krass freilich, dass man derartige Borniertheit nicht als hermeneutisches Problem ent­schuldigen kann. Es macht jedoch deutlich, dass es vollkommen verfehlt wäre zu glauben, die informationelle und kommunikative Vernetzung der Welt rücke uns die Fremde näher, in dem Sinne, dass wir sie schneller und besser verstünden. Voraussetzung dafür ist und bleibt immer noch, dass man sie verstehen will und die auch kann. Ob diese subjektiven Faktoren mit der Entwicklung der objektiven Möglich­keiten Schritt halten – dies ist die Frage.

 

Le reproche d’une mauvaise imitation de l’Occident, voire du faussage des ces produits industriels,  n’est pas nouveau, ça nous rappelle le discours sur le Japon dans les années 60 et 70.

Mais en cela l’Asie ne fait que réellement imiter l’Occident…

Non seulement l’Allemagne s’est illégalement procuré le plan de la machine à vapeur anglaise dans les années 20 du 19ème siècle, mais à la fin du Moyen Age tout ce qui a permis à l’Occident de conquérir le monde par la suite, l’Occident l’a d’abord importé de la Chine et ensuite perfectionné : des techniques de navigation aux armes à feu.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mais les stéréotypes se retrouvent aussi dans d’autres publications.

En expliquant le communisme asiatique, dans Le Livre noir du communisme, de Stéphane Courtois, on réactualise également les vieux clichés sur la violence asiatique prétendument inhérente à la civilisation asiatique.

Comment l’Occident peut-il prétendre enfin qu’il y a une « civilisation de la violence » en Asie, après tout ce qui s’est passé en Europe ?

C’est pour chercher ces explications- excuses, de « l’acte asiatique » d’Hitler (die asiatische Tat – la formule est de l’historien Ernst Nolte) aux actes de Staline intégrés dans la tradition russe depuis Ivan le Terrible.

En effet, dans le débat sur le marxisme à l’intérieur de la gauche européen­ne, la critique du stalinisme et du maoïsme avaient déjà distingué entre un bon marxisme en Occident et un mauvais en Asie, défiguré par la « mentalité asiatique »

Quiconque prétend l’universalisme de ses valeurs, il doit être crédible en les respectant soi-m^me, là, il y a des carences considérables en Occident. Les Allemands récusent la « culpabilité collective » pour ce qui concerne les crimes nazis, peut-on construire alors de façon analogue une « mentalité asiatique « ? La France se considère comme « le pays des droits de l’homme », mais elle s’est tout simplement amnistiée pour ses crimes commis en Algérie ; les USA se voient investis d’une mission mondiale pour la liberté, mais refusent de se soumettre eux-mêmes à une jurisdiction internationale.

Au fond, on trouve un problème fondamental de la perception de l’étranger : on généralise le partiel, on confond les côtés extérieur et intérieur. Ce qu’on voit à la surface paraît comme l’expression d’un caractère inné, l’immoral paraît relever d’une autre morale.

Mais la persistance de ces phénomènes nous montre que la mondialisation n’a pas encore suffisamment atteint les esprits.

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W. Geiger